Der gefährlichste Ort der Welt - Lindsey Lee Johnson

April 03, 2018


Die besten Bücher sind meiner Meinung nach oft die, an die man vollkommen ohne Erwartung heran geht. Der gefährlichste Ort der Welt lag auf der Arbeit wochenlang in meiner Schreibtischschublade - ein altes, ausrangiertes Leseexemplar aus einer anderen Abteilung. Das Cover und der Klappentext sprachen mich sofort an, aber der Funke endlich mit dem Lesen anzufangen wollte nicht so ganz rüberspringen. Großer Fehler! Der Roman ist so ziemlich das genialste, was ich in diesem Jahr bisher gelesen habe.

Lindsey Lee Johnson entführt uns in ihrem Debütroman ins reiche, kleine, perfekte Städtchen Mill Valley, über der Bucht von San Francisco. Sie erzählt die Geschichte von Tristan Bloch, der eines Morgens zur Golden Gate Bridge radelt und Selbstmord begeht. Grund dafür ist die nicht erwiderte Liebe seiner Angebeteten Calista, dessen Liebesbrief an sie plötzlich auf Facebook landet.

Hier erlebt die Geschichte auch direkt einen Zeitsprung von fünf Jahren. Die Folgen des Suizides sind in der kleinen Stadt und der High School nach wie vor zu spüren.
Es geht in dem Roman primär gar nicht mal darum, die Schuldfrage zu klären. Jeder der Mitschüler, Lehrer, Elternteile hat eine eigene Art, mit den Folgen und den Gefühlen gegenüber Tristans Tod umzugehen.

Es gab die Tänzerin, den Schönling, den Spezialisten, das reiche Mädchen, die beste Freundin des reichen Mädchens. Es gab die Grüppchen, die sich Vormittags- und Mittagspause bildeten, und das Wissen darum, dass man im Handumdrehen von diesen Gruppen ausgeschlossen sein konnte. Jeder Einzelne von Ihnen. Sie taten, was sie konnten, um zu überleben.

Eben diesen Grüppchen und Personen widmet Johnson je genau ein Kapitel. Sie benutzt Stereotypen und Klischees, um uns die Personen näher zu bringen, lässt sie aber nie gekünstelt und konstruiert wirken. In den einen kann man sich hineinversetzen, in den anderen halt nicht. Einige Personen wirken bewusst sehr oberflächlich und distanziert. Und trotz dieser detaillierter Beschreibungen überlässt die Autorin dem Leser die Wertung.

Der Roman zieht einen unheimlich in den Bann. Ich selbst hatte beim Lesen oft Gänsehaut und wollte das Buch nicht mehr weglegen. Ein sehr emotionales und gesellschaftskritisches Buch, das man nach dem Zuklappen nicht sofort verarbeitet hat. Wenn ich einen Vergleich ziehen müsste, würde ich den Roman sprachlich und thematisch auf eine Stufe mit Herman Koch stellen.
Absolut lesenswert!

You Might Also Like

0 Kommentare

Kontaktformular

Name

E-Mail *

Nachricht *